Bist du hochsensibel, vielbegabt? Und falls ja, seit wann weißt du das?
Ich bin sicherlich jemand der sehr feine Sinne hat und ein relativ schlechtes Filtersystem, aber dafür mit einer Vielzahl, vor allem musischer, sprachlicher und darstellerischer Talente und mit einer tiefen Sinnfrage ausgestattet ist. Das hat nicht irgendwann begonnen, das war einfach immer schon so. Gesehen und gefördert hat das sehr früh meine Mutter, in dem ich eine Waldorfschule besuchen, Musikinstrumente lernen und Theater spielen durfte – und einfach das Riesenglück hatte, mich in diesem Umfeld mit meinen Talenten gewertschätzt zu fühlen. Das hat mir Mut gegeben, mir doch ein wenig selbst zu vertrauen, gerade weil mein Selbstbewusstsein aufgrund verschiedener Erlebnisse recht früh echten Schaden genommen hatte.
Was ich lernen musste, war diese künstlerischen Fähigkeiten, die so immateriell im eigenen Orbit wabern, mit Methodik zu untermauern und in die Realität zu bringen. Aber auch in dieser Hinsicht habe ich viele gute Anlagen in die Wiege gelegt bekommen und hatte nicht zuletzt in meiner Mutter ein gutes Vorbild in Sachen Selbstorganisation. Auch lernen musste ich, mit meiner Sensibilität und mit meiner Wahrnehmungsfähigkeit verantwortungsvoll umzugehen, mir selbst und anderen gegenüber. Hierzu habe ich mir gute Ratgeber gesucht und mich mit verschiedenen geistigen Traditionen auseinander gesetzt, die wertvolle Hinweise dazu enthalten. Es ist ein lebenslanges Lernen.
Allerdings muss ich sagen, dass ich nie auf die Idee gekommen wäre, die Begriffe „vielbegabt“ und „hochsensibel“ für mich selbst zu benutzen. Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich damit gar nicht wohl und ich finde sie sogar kontraproduktiv. Denn ich erlebe immer wieder Menschen, die sich damit labeln, als wäre es eine Auszeichnung. Sie benutzen das ganze Thema dann als Freispruch davon, in Selbstverantwortung zu gehen. Sie spannen andere für Ihre Belange ein, weil sie sich selbst völlig verzetteln. Auch wenn das natürlich ernsthafte Gründe haben kann, so ein Verhalten stellt einfach primär die eigene Person in den Mittelpunkt.
Viele Talente zu haben und ein hohes Maß an Wahrnehmung, das fordert einen jedoch auf, sich um Veredlung zu kümmern und legt einem die Verantwortung in die Hand, das was einem geschenkt wurde weiterzugeben. Dazu muss man auch heraustreten aus der Menge und sichtbar werden, aber in einer gewissen Demut.
Deine CD heißt wildes Herz, warum?
Das erste Solo-Album das ich als DIE PLANK veröffentlicht habe, ist ein Crowdfunding-Album und wurde unterstützt von Fans und Freunden aus Norwegen, Großbritannien, Deutschland und der Schweiz. Entstanden ist es in musikalischer Zusammenarbeit mit meinem wunderbaren Arrangeur und Pianisten Jörg Florian Müller, und es thematisiert eine Phase meines Lebens, in der eine lange intensive Beziehung zu Ende gegangen ist.
Die Songs spannen sich thematisch von den ersten Vorzeichen der bevorstehenden Veränderungen, über den Moment wenn alles zerbricht bis hin zu dem Versuch sich neu zu erfinden, seine Sehnsucht und seine Zukunft zu formulieren und schließlich dem Geschehenen ein Glück abzuringen. Der Titelsong heißt „Wildes Herz“, nach ihm haben wir das Album benannt, das es übrigens nicht nur als CD gibt, sondern auch als Vinyl und auf allen bekannten Musikportalen zum Download und Streaming.
Wie bist du zum Singen gekommen? Macht es dich glücklich?
Singen ist für mich wie atmen mit Tönen. Und ja, es macht sehr glücklich. So wie sich manche Menschen beim Sport so richtig spüren, spüre ich mich wenn ich singe. Musik spielen, gemeinsam mit anderen, damit setzt man nicht nur die Luft im Raum in Bewegung, man bewegt auch die Menschen und das nehmen sie mit in ihr Leben und tragen es weiter. Meine Mutter war als junges Mädel im Chor des Stadttheaters Passau und liebt die Musik bis heute. Schon als ich in ihrem Bauch war, hat sie mir vorgesungen. Sobald es ging, von ganz klein auf, haben wir gemeinsam gesungen. Zu allen möglichen Fest- und Feiertagen, beim Spazieren, beim Autofahren, oder einfach, weil uns danach war.
Aber du fragst sicherlich, wie ich darauf gekommen bin, das irgendwann „professionell“ zu tun. Das begann so: Als ich mit etwa vierzehn Jahren die Gitarre meines verstorbenen Onkels geerbt hatte und anfing, mir ein paar Akkorde beizubringen, da habe ich auch begonnen, erste Melodien und Texte für Songs zu entwerfen. In dieser Zeit wurde im Rahmen der 150-jährigen Markterhebungsfeier von Prien am Chiemsee eine Festwoche geplant, bei der es unter anderem einen „Tag der Schulen“ geben sollte. Für diesen Tag wurde ein „Schul-Song-Contest“ ausgelobt. Meine Mutter hatte Werbung dafür entdeckt und schlug mir vor, daran teilzunehmen. Und so habe ich mich tatsächlich hingesetzt und in meinem besten Schulenglisch den „Song of youth“ geschrieben. Aber ich hatte Angst da mitzumachen und womöglich zu verlieren. Also habe ich eine Freundin gefragt ob wir das nicht gemeinsam machen wollen. Wir haben den Song dann noch mit einer zweiten Stimme ausgefeilt, ihn mit Gitarre und Blockflöte auf eine Kassette gespielt und eingereicht. Und siehe da, wir haben gewonnen! Alle Priener Schulen mussten dann den Refrain lernen und bei der Aufführung laut im Festzelt mitsingen. Ich glaube sie hassen mich heute noch dafür. Aber damit war der Grundstein gelegt für meine erste eigene Band, die dann noch um eine weitere Freundin erweitert wurde. Wir drei Teenager gaben uns den Namen „Daily Road“ und schafften es mit unseren Songs damals bis nach Mallorca ins Tonstudio. Das waren die Anfänge meiner Songpoesie von heute.
Du fährst immer noch zweigleisig beruflich. Ist das nicht anstrengend?
Ich fahre aktuell sogar dreigleisig, weil ich nebenberuflich noch ein Studium zur Betriebswirtin drauf gesetzt habe. Und ja, das ist aktuell wirklich anstrengend, aber zeitlich absehbar. Prinzipiell spiele ich aber nicht das eine gegen das andere aus. All diese Dinge sind Aspekte von mir, die ich pflegen möchte, weil sie sich gegenseitig befruchten. Ich bin beruflich im Marketing und komme ganz ursprünglich aus dem Kultur- und Business-Eventmanagement. Auch dort sind überall künstlerische Disziplinen gefragt, in Verbindung mit organisatorischem Know-how, strategischem Verständnis und Interdisziplinärem Denken und Handeln. Darin finde ich mich zu hundert Prozent wieder.
Wäre mein Herzensthema, selbstgeschriebene Songs und Poesie wirklich etwas, von dem man in unserer Gesellschaft hauptberuflich leben kann, dann wäre die Entscheidung dafür natürlich vorrangig. Die realistische Erkenntnis ist aber, dass das nicht der Fall ist, außer du bist bereit dich über eine industrielle Vermarktung in die oberen zehn Prozent zu begeben. Um dort eine Chance zu haben, braucht man nicht nur ein entsprechendes Netzwerk und das nötige Quäntchen Glück, man muss das auch echt wollen. Und man muss das Risiko eingehen, dass ein solcher Erfolg sehr wahrscheinlich nicht von Dauer ist. Dann musst du doch in eine berufliche Realität zurück.
Ich habe mir oft die Frage gestellt, ob ich das möchte und ob ich meine Musik von kommerziellen Zielen abhängig machen will. Und nein, in dieser Form möchte ich es nicht. Sicher wünsche ich mir, dass ich mit meiner Musik noch mehr Menschen erreiche, aber dazu muss ich nicht in die Charts. Da kann noch ganz viel aus eigener Kraft und vor allem in eigener Regie entstehen, das unverwechselbar von mir kommt. Von Kulturmanagement, über Marketing und Kommunikationsarbeit bis hin zu meinem betriebswirtschaftlichen Rüstzeug, all das ist mir nicht nur im Beruf von Nützen sondern auch meiner Musik.
Das ist die Methodik, von der ich eingangs sprach, die ich mir schaffen musste um meine künstlerischen Begabungen zu formen und in die Welt zu tragen. „Vielbegabung“ um das Wort nun doch zu verwenden, ist kein Selbstzweck. Ich musste einiges sehr schmerzhaft in meine kreativen Gehirnwindungen meißeln, um wichtige solide Strukturen und einen Realitätsbezug zu legen. Das war und ist ganz gewiss kein bequemer Weg. Aber die Anstrengung die es ist, lohnt sich jeden Tag, weil sie für mich absolut sinnstiftend ist.
Wo siehst du dich in zehn Jahren? Was wäre dein Traum?
Zehn Jahre! Mein Gott. Das ist ja ein halbes Leben. Meine große Übung ist es, nicht zu viel zu planen. Ich habe es mir abgewöhnt, nachdem das Leben mir recht eindrucksvoll gezeigt hat, dass es seine eigene Logik hat. Ich denke heute in sehr viel kleineren Zeitrhythmen. Das ist viel überschaubarer, realistischer und das macht viel weniger Stress.
Und „den“ großen Traum gibt es für mich nicht mehr. Ich würde heute eher sagen, es gibt bestimmte Qualitäten, die ich noch in meinem Leben realisieren möchte. Damit sie Einzug halten können, muss man allerdings den Boden in sich bereiten. Heute weiß ich, dass die eigenen Prozesse sich an keine Deadlines halten. Ich bin geduldiger geworden mit mir. Es gibt Phasen, in denen muss man planen, Phasen, in denen muss man Tatsachen schaffen, es gibt Phasen, in denen muss man reflektieren, und es gibt Phasen, in denen muss man wach genug sein, um die Bälle des Lebens zu fangen und neu zu verwandeln.
Mehr zu Julia als DIE PLANK unter www.julia-plank.de
Kommentar schreiben
Elisabeth (Dienstag, 20 März 2018 17:02)
Super!!!!
Jana (Donnerstag, 22 März 2018 17:54)
Danke für das schöne Interview! Spannend und inspirierend. Es ist immer gut, Rollenmodelle für stimmiges Umsetzen der eigenen Talente zu haben. :-)