Dieses Thema schwelt schon seit Längerem in mir: gibt es Unterschiede, wie Männer und Frauen ihre Hochsensibilität leben und erleben? Eines vorab: natürlich hat mein Blog, das Magazin, die Facebook-Fanpage einen „femininen Touch“, wie ein Herr vor kurzem und zu Recht angemerkt hat. Ich bin nun mal selber eine Frau, und mich haben (erst einmal, muss ich jetzt sagen) andere Frauen interessiert, die hochsensibel sind und wie sie damit umgehen.
Zwei, beziehungsweise drei Männer haben mir jetzt aber zu denken gegeben. Ich darf sie zitieren. Als Erstes hat der Musikjournalist Martin Laurentius kommentiert: „Ich wundere mich etwas darüber, beziehungsweise kann es so gar nicht glauben, dass dieses Thema, das ich selbst als so gar nicht dramatisch oder außergewöhnlich empfinde, auch bei dir ausschließlich auf Frauen bezogen relevant zu sein scheint (merkt man spätestens dann, wenn man darüber hinaus recherchiert). Warum nur?
Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die "hochsensiblen" Männer . Aber die "fehlenden Männer" sind mir nicht nur in deinem Blog aufgefallen, sondern auch in anderen Quellen, so als gäbe es keine Fachmänner in diesem Sektor, geschweige denn hochsensible Männer.
Ich vermute, dass "ihr" Frauen anders mit dem Phänomen "Hochsensibilität" umgeht als "wir" Männer. Nach dem Fragebogen, den du auf deinem Blog verlinkt hast, bin ich zu 85 Prozent hochsensibel. Nur empfinde ich das weder als Problem noch als belastend für mich - nicht für mich als Mann und auch nicht für mich als Mensch -, weil ich es nicht anders kenne und alles eine Frage der Haltung und Perspektive ist.“
Und Journalist und Autor Michael Hug dazu: „Ich meine, wir müssen unsere besondere Sensibilität als normal betrachten, und zwar weil es das „Normale gar nicht gibt. Wir sind nichts Spezielles, wir sind halt einfach Individuen mit ausgeprägten Sinnen. Andere Menschen habe etwas anderes Ausgeprägtes. Auch sie sind normal, wir sind darum alle irgendwie normal mit kleinen Differenzen. Jede/r muss mit diesen Differenzen, die ihn/sie von anderen unterscheiden, umgehen können. Das heißt lernen, damit umzugehen. Sie nutzen und einsetzen, zum Guten natürlich, nicht zum Unguten. Wir sollten uns nicht als etwas Besonderes fühlen, gar etwas Besseres, wir sind einfach so, basta. Solange wir diese Eigenschaft nicht integriert haben, ecken wir vielleicht an oder fallen auf. Es ist unsere Aufgabe, das zu checken und aufmerksam anzunehmen und zu integrieren. Ja und danke sagen ist auch immer gut, danke dass ich so bin.
Ja und übrigens glaube ich nicht, dass dies ein Genderproblem ist - Männer/Frauen. Wir Männer sind so und Frauen so (bezüglich Hochsensibilität). Noch fertig formuliert: Männer und Frauen sind diesbezüglich gleich.
Ich bin ja übrigens Journalist. Ich nutze meine Sensibilität im Beruf. Ich muss manche Frage nicht stellen, weil ich vieles schon ohne zu fragen aufnehme. Das kann manchmal auch nicht gut sein, weil ich dann etwas berichte, das nicht ausgesprochen wurde oder nicht da war, beziehungsweise. nicht sichtbar war. Das kann schon zu Problemen führen mit Chefredakteuren oder den Zeitungslesenden.“
Ich habe mich nun auf die Suche nach Experten begeben und als Ersten Luca Rohleder befragt, er betreibt die Website hochsensiblepersonen.com und hat eine riesige Facebook-Community (www.facebook.com/HochsensiblePersonen) mit 15.000 Followern. Seiner Meinung nach gibt es keine „größeren Unterschiede“ zwischen weiblicher und männlicher Hochsensibilität, aber er hat mich an seinen Kollegen Oliver Domröse verwiesen, der ein Buch zum Thema geschrieben hat. Oliver Domröse (Jahrgang 1979) ist außerdem Blogger und freier Texter. Nach einer dreijährigen beruflichen Auszeit und den anschließenden Orientierungs- und Anpassungsschwierigkeiten, weiß er heute, wie er leben möchte: frei und selbstbestimmt. Er schreibt auf seinem Blog simplyfeelit.de über Beziehungen, Mann-Sein, Hochsensibilität, Minimalismus und Persönlichkeitsentwicklung. In seinem Buch „Der sanfte Krieger“ interpretiert er die Themen Hochsensibilität und Mann-Sein. Um „ganzheitliche Männlichkeit, die ein offenes Herz und Rückgrat verbindet“, geht es ihm. Ich habe Oliver drei Fragen gestellt.
Wie und seit wann weißt du, dass du hochsensibel bist?
Seit Sommer 2014. Damals befand ich mich in einer (männlichen) Identitätskrise. Ich hatte keine wirkliche Vision im Leben. Seit Jahren war ich auf der Suche. Ich wusste nur, was ich nicht mehr wollte (nämlich einen „geregelten“ 40-Stunden- Job). Seit der Rückkehr von meiner beruflichen Auszeit im Jahr 2012 war ich am Grübeln und Überlegen über was ich Schreiben sollte. Die Idee des Schreibens verspürte ich nämlich schon länger in mir. Doch war sie blockiert, und mir fehlte einfach der Mut, es zu machen.
Außerdem fehlte mir ein Thema, für das ich länger als nur ein paar Wochen brannte. Genauer gesagt, hatte ich zu viele Interessen und Leidenschaften und wusste nicht, wie ich die alle unter einem Hut bringen sollte. Im Sommer verließ mich meine damalige Freundin nach sechs Wochen.
Nun war ich den Sommer über völlig orientierungslos: keine Perspektive, kein Ziel, kein Job, keine Freundin. Das einzig Gute daran war, dass ich nun viel Zeit hatte. So surfte ich viel im Netz herum und stieß (erneut) auf den Begriff Hochsensibilität. Ich bestellte mir ein Buch dazu. Das war mein Durchbruch, meine Initialzündung. Allen voran in Sachen Selbstverständnis. Unglaublich viele Aha- und Verständniserlebnisse hatte ich beim Lesen.
War das schwierig vor allem als Kind unter Jungs?
In meiner Kindergarten und Grundschulzeit nicht, zumindest habe ich daran keine Erinnerung, dass es mir schwer fiel. In der Gesamtschulzeit wurde mir meine ruhige und schüchterne Art schon mehr bewusst. Zum Beispiel, weil ich im Gegensatz zu meinen Klassenkameraden kein Interesse an Fußball spielen hatte. Der Begriff Hochsensibilität war ja damals noch völlig unbekannt. Allgemein kann ich sagen, dass ich als Junge und auch Jugendlicher viel lieber mit ein oder zwei Freunden spielte, als in einer großen Gruppe.
Kommen Männer als Erwachsene besser oder schlechter als Frauen mit ihrer Hochsensibilität zurecht?
Grundsätzlich glaube ich zunächst einmal, dass es Frauen viel leichter fällt, zu ihrer Sensibilität und Emotionalität zu stehen! Einfach deswegen, weil es biologisch und auch gesellschaftlich besser zu einer Frau passt als zu einem Mann (oder so erwartet wird). Hinzu kommt, dass es in unserer Konsum- und Leistungsgesellschaft Männern sehr schwer gemacht wird, ihre Gefühle oder Sensibilität zu zeigen oder zu leben.
Es werden Attribute wie Leistung, Disziplin, Durchsetzung und Stärke verlangt. Die auch zu einem Mann gehören - aber eben auch sein Herz. Deshalb besteht der Weg darin, beides als Mann zu integrieren. Ein Mann mit geöffnetem Herzen und Rückgrat, sage ich immer. Zunächst einmal völlig unabhängig davon, ob er hochsensibel ist oder nicht. Den hochsensiblen Männern empfehle ich immer, zum einen zu ihrer Emotionalität, Tiefgang oder einfach weiblichen Attributen zu stehen. Sie als Teil von sich anzuerkennen, anstatt dagegen anzukämpfen (was auf Dauer krank macht). Zum anderen, ihren männlichen Pol zu stärken, wie konstruktive Aggression, Durchsetzung, Mut, emotionale Stabilität, Unabhängigkeit. Weil an dem hapert es meist, wie ich es selbst erlebte. Sich als Mann nur in Passivität, Gefühlen und Abhängigkeiten zu verlieren, was bei einer Überbetonung des Weiblichen und gleichzeitiger Abwertung alles Männlichen passieren kann, ist auch keine Lösung. Wie erwähnt: Ganzheitliche Männlichkeit. Eine gute Balance aus beiden Anteilen.
Das Schöne ist zurzeit, dass sich in Sachen Männerbild, Akzeptanz von Gefühlen und was es heute eigentlich bedeutet, männlich zu sein, viel tut. Auf Blogs, Büchern, Männerkonferenzen & Seminaren und in der gesellschaftlichen Debatte. Ich versuche meinen bescheidenen Beitrag zu diesem Bewusstseinswandel mit meiner Arbeit zu leisten.
Frauen, Männer! Was denkt Ihr? Gibt es Unterschiede? Wer hat Recht?
Hier noch einmal die Links zu Lucas’ und Olivers Blogs, eine Kurzrezi zum Buch von Oliver findest du hier.
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Sylke (Dienstag, 08 Mai 2018 18:43)
Vielen Dank! Ein echt toller Beitrag ist das, dem ich eine weite Verbreitung wünsche!
Love&light X :-)